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Geschlechtergerechtigkeit und -gleichheit sind teilweise bereits in der Gesellschaft, Sprache, Gesetzen und Versicherungsprodukten verankert. Erstaunlich jedoch ist, dass nur ca. vier Prozent der gesamten Aufwände für Forschung und Entwicklung für Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen für Frauen ausgegeben werden (Pitchbook). Demnach orientiert sich die medizinische Forschung nach aktuellem Stand überwiegend am männlichen Normkörper. Daraus ergeben sich zahlreiche Spannungsfelder in der Medizin. FemTechs haben dies erkannt und unterstützen Frauen in verschiedenen Lebensphasen oder bei frauenspezifischen Krankheiten.

Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse

  1. Starke Unterfinanzierung von Frauengesundheit in der Forschung erlaubt keine akkurate geschlechterdifferenzierte Behandlung in der Medizin, welche essenziell für eine erfolgreiche Behandlung ist.
  2. Die FemTech-Branche bietet aufgrund ihrer stetig wachsenden Marktgröße ein hohes Potenzial für Start-ups und Endkundinnen.
  3. Drei Gründe, warum sich Krankenversicherungen mit dem Thema beschäftigen sollten:
    • Die Chancen zur Steigerung der Kundinnenzufriedenheit durch verbesserte Gesundheit und Behandlungserfolg bei gleichzeitiger effizienteren Steuerung von Gesundheitsausgaben ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
    • Die Gewinnung von Neukundinnen durch innovative digitale Angebote und gezielte Kundinnenansprache gelingt einfacher, wenn frauenspezifische Angebote in den Vordergrund gestellt werden.
    • Im hart umkämpften Markt der Krankenversicherungen ist die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern herausfordernder als in anderen Marktsegmenten – trotz zum Teil beinahe deckungsgleichen Angeboten macht eine überzeugende Customer Experience den Unterschied aus.

Schon gewusst? Das im Vergleich zu Männern gesteigerte Gesundheitsbewusstsein von Frauen führt dazu, dass Frauen pro Kopf fast 30 Prozent mehr Geld für gesundheitliche Produkte und Dienstleistungen ausgeben als Männer (rockethealth.com). Ein Stichwort ist hier „Sheconomy“ für das Ankurbeln der Wirtschaft (fowmedia, frost).

FemTech ist ein Segment des Digital-Health-Marktes und umfasst vorrangig digitale Angebote, die das Ziel haben, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen zu fördern. Die Angebote sind vielfältig und reichen u. a.  von Fruchtbarkeits- und Zyklus-Tracking über Schwangerschaftsbegleitung und Tele-Hebammen bis hin zu Lösungen zum Thema Sexual Awareness und Menopause.

Dass FemTech längst keine Nische mehr ist, zeigen die globalen Marktentwicklungen. Demnach hat sich das VC-Funding seit 2015 von knapp 600 Millionen USD auf rund 1,9 Milliarden USD im vergangenen Jahr verdreifacht (Pitchbook). Zwischen 2022 und 2023 wird eine jährliche Wachstumsrate von 8,12 Prozent für den FemTech-Markt prognostiziert (yahoo). Nordamerika ist unangefochtener Spitzenreiter mit einem Anteil von fast 55 Prozent aller FemTech-Unternehmen. Europa liegt mit 25 Prozent an zweiter Stelle, gefolgt von Asien mit 8 Prozent. Die USA und das Vereinigte Königreich sind die beiden Länder mit der höchsten Anzahl von FemTech-Unternehmen (femtech.health).

Und wie sieht es in Deutschland aus? Bislang blieb das Finanzierungsvolumen gering: Nur fertilly und pregfit erhielten ein Seed-Funding, wohingegen internationale Startups, die auf dem deutschen Markt tätig sind, größere Funding-Summen (z.B. Elvie 68 Mio. EUR in einer Series C) erzielen konnten.

Unterstützung von Frauen mit FemTech-Anwendungen über drei Lebensphasen

Darüber hinaus werden einzelne Angebote bereits in der medizinischen Regelversorgung zu Verfügung gestellt. Zwei FemTechs sind als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) gelistet: zanadio als Anwendung für Frauen zur Adipositastherapie (Fettleibigkeit) und Endo-App zur Unterstützung einer Endometriose (einer der häufigsten Unterleibserkrankungen). Außerdem wird die App zur Schwangerschaftsbegleitung und Geburtsvorbereitung von Keleya Health mittlerweile von 17 gesetzlichen und zwei privaten Krankenversicherungen (Arag und Ottonova) erstattet. Auch die Nutzung der Angebote zur Schwangerschaftsbegleitung vom Unternehmen OvulaRing wird bundesweit von vier gesetzlichen Krankenkassen für bis zu 12 Monate übernommen.

Schon gewusst? Jede zweite Frau würde ihren Krankenversicherer wechseln, sofern dieser bessere digitale Medizin-Services anbietet (Accenture Strategy).

Warum also nicht schon heute in die Zukunft investieren und die Gesundheit von Frauen fördern?

Drei Effekte werden durch das Angebot von FemTech für Krankenversicherer von uns erwartet:

  1. Steigerung der Kundinnenzufriedenheit bei gleichzeitiger effizienterer Steuerung von Gesundheitsausgaben: Bei einer repräsentativen Studie sehen 86 Prozent der Befragten den Gesetzgeber in der Pflicht, klare Vorgaben zu einer geschlechterangepassten Gesundheitsversorgung zu machen und diese weiter zu fördern (pronovaBKK). Konkret ist dies eine Handlungsaufforderung, sich für die Stärkung der Frauengesundheit einzusetzen und nimmt alle Akteure gleichermaßen in die Pflicht. Durch eine proaktivere Kommunikation an Frauen und einen Ausbau des Angebots digitaler Präventions- und Unterstützungsservices kann die Zufriedenheit gestärkt und gleichzeitig Gesundheitsausgaben effizienter gesteuert werden. Knapp die Hälfte des heutigen Versicherungsbestands entfällt auf Frauen, die durchschnittlich länger leben und auf die auch ca. 1.000 EUR höhere pro-Kopf-Gesundheitskosten entfallen (Statista).
  2. Gewinnung von Neukundinnen: Zusätzlich bietet das Angebot von FemTech-Anwendungen die Chance, insbesondere digitalaffine jüngere Kundinnen als Neukundinnen zu gewinnen. Es ist belegt, dass insbesondere Frauen im Alter von 18-34 Jahren besonders wechselwillig sind, sofern ein Krankenversicherer bessere digitale medizinische Services anbietet (Accenture Strategy). Drei Zielgruppen würden darüber primär adressiert werden: a) Gutverdienerinnen b) Beihilfe-Berechtigte c) Frauen, denen erstklassige und innovative Versorgungen besonders wichtig sind.
  3. Differenzierung gegenüber Wettbewerbern: Gerade jetzt in der anfänglichen Etablierungsphase von FemTechs können diese als USP gegenüber anderen Krankenversicherern genutzt werden. Warum also nicht das nachweislich höhere Gesundheitsbewusstsein von Frauen nutzen und sich nicht nur als Payer, sondern gleichzeitig viel mehr als Partner positionieren? Denkbar ist eine Unterstützung für Frauen in der Vorsorge und Prävention, aber auch in Form von Gesundheitsplattformen, die Frauen ganzheitlich über alle Lebensphasen hinweg versorgen. Wichtig ist dabei: Es sollte nicht nur ein „loses“ Zusammenstellen von Angeboten sein, sondern eine überzeugende Customer Experience macht hier den Unterschied (vgl. dazu Accenture Song).

Wenn Sie Fragen haben oder mit uns über dieses Thema ausführlicher sprechen möchten, dann kontaktieren Sie mich gerne. Ich und mein Team stehen Ihnen für Gespräche zur Verfügung – wir freuen uns auf den Austausch.

Ich danke meiner Kollegin Janine Timm für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels.