Insurance Blog | Accenture

Seit mehr als einem Jahr befinden wir uns in einer globalen Pandemie. Themen rund um Gesundheit, Erkrankungen und Pflege rücken nicht zuletzt deshalb zunehmend in den Fokus der Menschen.

Bereits vor Beginn der Pandemie war Deutschland eine alternde Gesellschaft. Die Pandemie hat daran nichts geändert, auch danach werden wir eine älter werdende Bevölkerung vorfinden. (Pflege-)Leistungen werden länger in Anspruch genommen – die Gesellschaft, Krankenkassen, Versicherungen und jegliche Leistungserbringer im Gesundheits- und Pflegemarkt müss(t)en sich heute schon auf den gesteigerten Bedarf einstellen, um ihn zukünftig (noch) bewältigen zu können. Außerdem wollen Menschen, so lange es geht, eigenständig zu Hause leben – im Jahr 2020 waren es rund 90%, Tendenz steigend.

Schon gewusst? In 10 Jahren wird es mehr Ü65-Jährige als unter 20-Jährige geben. 2040 ist knapp jeder Dritte bereits älter als 65 Jahre (Politik Aktuell).

Was bedeutet das nun konkret? Von eingezahlten Geldern/Beiträgen müssen Pflege- und Gesundheitsleistungen länger finanziert werden. Dies betrifft die privaten und gesetzlichen Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Pflegezusatz-, Krankenzusatzversicherungen und im erweiterten Sinn auch den Sozialstaat mit Transferleistungen. Allein für die deutsche soziale Pflegeversicherung wurden 2020 45,60 Mrd. EUR ausgegeben (2010 waren es 20,43 Mrd. EUR, d.h. ein Wachstum von rund 8,36% p.a. BMG).

Kostenerstattung ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Nicht zu vernachlässigen sind die heutigen Probleme und Herausforderungen, mit denen die Gesundheits- und Pflegesysteme zu kämpfen haben. Neben dem „Schrumpfen“ der Finanzreserven herrschen Pflegekräftemangel, Pflegenotstand und für Pflegeeinrichtungen jeglicher Art gibt es lange Wartelisten, zu denen man sich frühzeitig anmelden sollte, damit man eines Tages auch in seiner „Lieblingseinrichtung“ wohnen kann. Somit lässt sich ziemlich sicher prognostizieren, dass sich die Betreuungsquote von 13 Senior:innen pro Pflegekraft (Statista) in stationären Pflegeheimen zukünftig weiter verschlechtern wird.

Parallel erleben wir, dass Digital Health auf dem Vormarsch ist. Patient:innen haben insbesondere im COVID-Jahr 2020 angefangen, Telemedizin für Arztkonsultationen oder psychologische Therapiestunden zu nutzen. Die ersten „Apps auf Rezept“ sind verfügbar und die Bereitschaft, digitale Gesundheitsleistungen zu nutzen, liegt bereits bei 53% (Statista). Auch Investoren haben die Wachstumschancen erkannt und investieren Millionen in der DACH-Region, wie beispielsweise in Kenbi mit 7,0 Mio. EUR (2021) und AssistMe (2019) mit rund 5,1 Mio. EUR.

Schon gewusst? Venture Capital Fundings in Digital Health in der DACH-Region belaufen sich auf ca. 900 Mio. EUR in den letzten 10 Jahren (Advance Healthcare). Im gleichen Zeitraum haben US Start-Ups im Marktsegment Elderly Care ca. 1,65 Mrd. EUR eingesammelt (Crunchbase, eigene Berechnungen).

Digitale Produkte und Services im Bereich Elderly Care fokussieren sich meistens auf eine der drei Zielgruppen: die zu Pflegenden, Angehörige oder Pfleger:innen. Darüber hinaus lassen sie sich in den drei Kategorien Body, Mind, Home und abhängig von der jeweiligen individuellen Pflegestufe bzw. der gesundheitlichen Verfasstheit, also Alltag, Vorsorge und Behandlung unterteilen.

Doch wenn man sich den Leistungskatalog vieler Kostenerstatter ansieht, stellt man schnell fest, dass dieser vorwiegend analoge Leistungen umfasst. Eine Ausnahme ist zum Beispiel die Barmer. Sie kooperiert mit einem Hersteller für Senioren-Videospiele für therapeutische und präventive Zwecke, welche kürzlich in die Regelversorgung aufgenommen wurde. Es handelt sich dabei um eine Videospielkonsole mit speziell auf die Bedürfnisse der Senior:innen abgestimmten Spielen zur Erhaltung der Mobilität, um kognitive Anreize zu schaffen und die Gemeinschaft zu stärken. Andere Ausnahmen sind u.a. die Pflegekassen der TK und AOK, die bereits eine App zur Mobilitätsanalyse bei der Pflegeberatung anwenden, um das Risiko von Stürzen der Pflegebedürftigen zu berechnen.

In einem Elderly Care Piloten (Video auf Webseite) hat Accenture eine Software für ein sprachgesteuertes Tablet entwickelt, wodurch Senior:innen im Alltag unterstützt werden. Durch Sprachbefehle kann zum Beispiel das Radio an-/ausgeschaltet, sportliche und geistige Übungen vorgeführt, Videoanrufe zu Verwandten getätigt oder auch der Wetterbericht angezeigt werden. Die Accenture Plattform basiert auf Alexa-Skills von Amazon und einer KI, die dies möglich macht.

Wenn es um digitale Lösungen geht, muss es aber auch nicht gleich das „Komplettpaket“ von allen „alltagsunterstützenden Assistenzlösungen“ für das „smarte Senior-Home“ sein. Durch das „Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG)“ gibt es nun auch eine gesetzliche Grundlage, dass digitale Pflegeanwendungen (DiPA) bis zu 50 EUR pro Monat von der Pflegekasse erstattet werden (müssen).

„Gute Pflege braucht menschliche Zuwendung. Sinnvolle Apps und digitale Anwendungen können Pflegebedürftigen aber helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen.“ (Zitat des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn aus 2021.)

Schon gewusst? Die Top3-Ursachen für Pflege in der Altersklasse von 65 bis 70 Jahren:

  1. Erkrankungen des Kreislaufsystems (18,1%)
  2. Psychische und Verhaltensstörungen (17,2%)
  3. Symptome und abnorme klinische Laborbefunde (16,2%) – darunter insbesondere Senilität und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems

(Pflegebericht des Medizinischen Dienstes)

Warum also nicht Kunden:innen incentivieren, jetzt schon digitale Lösungen zu nutzen? Dies würde insbesondere drei positive Effekte haben:

  • Steigende Nutzerzufriedenheit: Kunden:innen werden es Ihnen danken, denn jeder zweite Ü65-Jährige würde Gesundheits-Apps nutzen (Bitkom). 41% der Ü65-Jährigen nutzen heute schon Smartphones (Statista).
  • Minimieren von Risiken: Mit frühzeitiger nicht-ortsgebundener Prävention unterstützen Sie Senior:innen frühzeitig bei ihrem Wohlbefinden und dem eigenständigeren Leben. Unfälle/Krankheiten werden reduziert.
  • Geld sparen: Durch den Einsatz von digitalen Anwendungen, bspw. im Bereich der Bewegungstherapie, können Kosten für den Kostenerstatter und den Leistungsempfänger (Eigenanteil und Zuzahlungen) reduziert werden. Fahrtkosten und Kosten für die Maßnahmen vor Ort sind nur zwei Beispiele dafür.

KEY TAKE AWAYS und HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

  • Der demografische Wandel schreitet weiter voran – digital affine Senior:innen werden zeitnah auch Ihre Leistungen in Anspruch nehmen müssen.
  • Eine konsequente Kostenerstattung von digitalen Lösungen in verschiedenen Pflegefeldern ist nicht feststellbar, obwohl es sie bereits gibt und sie eine sinnvolle Ergänzung zu „analogen“ Services darstellen.
  • Nutzen Sie einen „digitaleren“ Leistungskatalog als USP gegenüber Ihren Wettbewerbern und für Ihre Kunden:innen.
  • Überdenken Sie Ihr Werteversprechen gegenüber Ihren Kunden:innen oder wollen Sie weiterhin bloß der „Kostenerstatter“ im System bleiben?
  • Stellen Sie sich vor, dass aufgrund von Long COVID-19 noch viele jüngere Menschen zusätzlich auf das Pflegesystem zugreifen. Keiner weiß heute, wie sich dieses Krankheitsbild verhält und welche Behandlungs- und Therapieformen benötigt werden. Eines ist jedoch klar: Durch reine „analoge“ Services können nicht alle Pflegebedürftigen adäquat betreut werden. Eine Ergänzung durch digitale „Zusatzhelfer“ ist unerlässlich.

Wenn Sie Fragen haben oder mit uns über dieses Thema ausführlicher sprechen möchten, dann kontaktieren Sie mich gerne. Ich und mein Team stehen Ihnen für Gespräche zur Verfügung – wir freuen uns auf den Austausch.